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Ein Paar.
Momente des Glücks.

Ich hatte den ganzen Tag noch nichts gegessen und ging daher um halb neun Uhr abends ins Estela am Schweizer Platz. Es war mein erster Besuch, man wies mich darauf hin, dass die Küche eigentlich gleich schließen werde, aber wenn ich mich mit der Auswahl meiner Speisen beeilen würde, bekäme ich noch etwas.

Man führte mich an einen kleinen Tisch zwischen zwei anderen, schon besetzten Tischen. Ich wählte Salat und Heilbutt, dazu ein Glas Wein und ein Wasser und wandte mich meiner mitgebrachten Lektüre zu. Aber die recht hohe Geräuschkulisse ließ kein konzentriertes Lesen zu. Mein Notizbuch hatte ich im Büro liegen lassen, also wandte ich mich, während ich auf das Essen wartete, meinem Umfeld zu.

Rechts von mir saß ein junges Paar, vielleicht Ende zwanzig. Alles an ihnen war, nun ja, unoriginell. Die junge Frau trug das heute in weiten Teilen übliche Make-up, künstliche Wimpern, zu grellen roten Lippenstift und auch ihr Habitus war etwas ordinär, sie sprach immer zu laut und zeigte impulsive Gesten. Ihr Gegenüber trug einen Pullover, der auf der linken Brust ein Herz zeigte, das mit seiner Spitze in ein versales A überging. Ob es sich um eine Marke handelte oder bloßes Dekor erschloss sich mir nicht. Er zeigte den ganzen Abend das immer gleiche fade Lächeln, mit dem er – selbst weitgehend sprachlos – seine Begleitung erfreute. Die junge Frau sprach in empörtem Ton, auch das scheint heute Usus, von Enttäuschungen und vom Zukurzgekommensein in beruflichen und privaten Zusammenhängen, aber immer heiter, aufgekratzt – die Klage ist das Grundrauschen unserer Zeit.

Der Salat und das Brot wurden gebracht und die willkommene Störung gab mir Anlass, meinen Blick nach links zu wenden. Dort saßen ein älterer Mann, etwa 75 Jahre alt, und ihm gegenüber eine Frau, die nicht so viel jünger war, dass sie seine Tochter hätte sein können. Die beiden unterhielten sich angeregt und so leise, dass ich in weiten Teilen nichts verstand. Er trug halblanges graues Haar, war groß gewachsen, sehr schlank, braun gebrannt und gepflegt, dabei trug er unauffällig hochwertige, legere Kleidung. Sie war ebenfalls groß, hager, hatte langes, braun gefärbtes Haar, das etwas spröde wirkte und trug eine geblümte Bluse und eine einfache hellblaue Stoffhose. Sie war nicht der Typ Frau, deren Schönheit sofort ins Auge fiel, aber was mich sofort fesselte, war ihr ausdrucksvolles Gesicht. Sie sprach mit einem leichten, aber unüberhörbar amerikanischen Akzent. Meist stützte sie die Ellbogen auf den Tisch und präsentierte so ihre langgliedrigen feinen Hände. Ihre Mimik war in ihrer Differenziertheit und Ausdruckskraft sehr einnehmend. Mal kräuselte sie sanft die Stirn, kurz darauf legte sie die Stirn nachdenklich in tiefe Falten. Ihr Ausdruck wechselte zwischen aufmerksamem Zuhören und dezentem Amüsement über die Worte ihres Gegenübers oder über das, was sie selbst ihm erzählte. Ihre braunen Augen waren während der ganzen Zeit fest auf ihren Begleiter gerichtet. Ich rätselte, in welcher Beziehung die beiden zueinander stehen, denn sie zeigten eine enge Bindung, aber sie berührten sich nicht. Das Handy des Mannes, das von mir unbemerkt zwischen uns auf der Lederbank gelegen hatte, leuchtete beim Eingehen einer Nachricht auf und zeigte im Hintergrund einen neuen 911, was den Eindruck von Wohlstand unterstrich, den beide ausstrahlten. Der Kellner kam, der Mann bezahlte mit der Karte. Während mir der Kabeljau serviert wurde, entschuldigte er sich und verließ den Tisch. Ich war versucht, ihr ein Kompliment zu machen, wollte aber nicht aufdringlich wirken. Als der Mann zurückkam, stellte er sich neben sie und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. Sie hob den Kopf und es folgte ein intensiver, tiefer Kuss. Dann sahen sie sich – nicht kurz, nicht lang – in die Augen, bevor sie aufstanden und das Restaurant verließen.

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