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Talk Talk

Vor kurzem traf ich eine alte Bekannte – nennen wir sie „M“ – nach vielen Jahren wieder. Wir liefen uns beim Einkauf bei der Confiserie Georg Jamin auf der Schweizer Straße über den Weg und begrüßten uns herzlich. Spontan beschlossen wir einen Kaffee trinken zu gehen, um uns über die Ereignisse in unser beider Leben in den letzten Jahren auszutauschen. Wir ließen uns im Schatten bei Moka Roasters nieder. Da die Kellnerin uns lange nicht beachtete, wurden aus zwei Tassen Kaffee zwei Gläser Wein.

M plauderte drauflos, erzählte von den drei Wasserrohrbrüchen in ihrer Wohnung in vier Jahren: »Das musst Du Dir mal vorstellen!« Sie beschrieb, von wo aus sie bei jedem Wasserrohrbruch nachhause gekommen war, wie sich die Wasserperlen am Kabel der Deckenlampe in der Küche gebildet hatten, was die Nachbarn in der Wohnung darüber und darunter dazu gesagt hatten, was die Hausverwaltung. 

Zehn Minuten vergingen. 

Dann erzählte sie mir von ihrem Bruder, den ich nicht kannte, der aber offenbar vor einem Jahr verstorben war. Sie erzählte mir von ihren Neffen – einen davon hatte ich ein einziges Mal vor etwa 20 Jahren in Berlin getroffen, als er sich ungefragt zum Abendessen im Pasternak am Prenzlauer Berg dazugesellt hatte und ich ihn einladen musste. Sie erzählte mir von deren Kindern, von deren Partnerinnen und wo diese eine Wohnung gekauft hatte in Frankreich und warum die dort – weltkriegsbedingt – so günstig gewesen sei. 

Weitere zehn Minuten waren vergangen

Ich schob die roten Rosen und den Beutel mit den Bethmännchen, die ich anlässlich des offiziellen Einzugs meiner Partnerin bei mir an diesem Tag für sie gekauft hatte, unruhig über den Tisch hin und her. Nein, sie fragte nicht, für wen ich rote Rosen und Konfekt gekauft hatte. Nein, sie fragte mich nicht nach meinen beiden Söhnen, die sie seit ihrer Geburt kannte. Nein, sie fragte mich nicht nach meinem Unfall, von dem sie wusste. Nein, sie fragte mich nicht, wie es in meinem Büro läuft, das 20 Jahre für sie und ihre Abteilung am Frankfurter Flughafen gearbeitet hatte und auch nicht nach meinen Kollegen.

Wieder waren Minuten vergangen. Ich unterdrückte ein Gähnen.

Als sie dann doch, nach etwa einer halben Stunde, eine etwas zu lange Pause machte, erzählte ich ihr davon, dass ich mir große Sorgen um meinen kleinen Sohn machen würde, da dessen Mutter gerade wieder viel Energie und Perfidie darauf verwenden würde, mir den Umgang mit ihm zu verhindern. »Echt? Christiane?« – Nein, nicht Christiane, nicht die Mutter meines 23jährigen Sohnes Paul, sondern die Mutter meines 9jährigen Sohnes Leonard. Christiane und M würden sich wohl als Freundinnen bezeichnen, sie treffen sich von Zeit zu Zeit. Dass wir seit rund 17 Jahren getrennt sind und seither einige andere Frauen meinen Weg gekreuzt haben, ist M also nicht entgangen. 

Gerne wäre ich an diesem Punkt einfach aufgestanden und wortlos gegangen. Noch einige Minuten blieb ich aber am Tisch, dann fiel ich M in’s Wort, nuschelte etwas von einer Einladung, bezahlte die beiden Gläser Wein an der Theke und verabschiedete mich bündig.

»War schön mit Dir zu sprechen!« rief sie mir noch hinterher.

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Ein Paar.
Momente des Glücks.

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